Homöopathie: Apotheker fordert Einschreiten der Aufsicht
Berlin –
Es war ein gut gemachter Scherz auf Kosten der Homöopathie-Befürworter: Die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim hatte in ihrer Sendung „MaiThink X“ das Produkt „HomöopaTea“ vorgestellt und damit die Frage aufgeworfen, ob ein mit Globuli gesüßter Eistee als Lebensmittel verkauft werden dürfte. Apotheker Dr. Christian Fehske aus Hagen ist überzeugt, dass das nicht geht, weil es sich dann um ein Präsentationsarzneimittel handeln würde. Er hat die Aufsichtsbehörde eingeschaltet und die Redaktion konfrontiert. Doch irgendwie ducken sich jetzt alle weg.
Die Redaktion von MaiThinX hatte im Vorfeld der Sendung selbst bei verschiedenen Behörden und Ministerien nachgefragt, unter welchen Umständen ein Verkauf des „Homöopatea“ zulässig wäre, aber keine eindeutige Antwort erhalten. Darum wollte sich im Anschluss Apotheker Fehske bemühen. Denn aus seiner Sicht dürfte das Getränk nicht mit der für homöopathische Arzneimittel typischen Bezeichnung verwendet werden.
Das Gesundheitsamt der Stadt Köln antwortete zunächst allgemein, dass der Begriff des Präsentationsarzneimittels nach ständiger Rechtsprechung weit auszulegen sei. „Dies soll die Verbraucher vor Erzeugnissen schützen, die nicht die Wirksamkeit besitzen, welche sie erwarten dürfen. Die europäische Richtlinie schützt den Verbraucher nämlich nicht nur vor schädlichen oder giftigen Arzneimitteln als solchen, sondern auch vor Erzeugnissen, die anstelle der geeigneten Heilmittel verwendet werden.“
HomöopaTea ein Präsentationsarzneimittel?
Bei der konkreten Einstufung – Präsentationsarzneimittel oder nicht – komme es darauf an, wie das Produkt dem Verbraucher gegenüber in Erscheinung trete, so die Aufsicht weiter. Das sei der Fall, wenn das Produkt vom Hersteller mit seinen Hauptindikationen im weiten Sinne als Mittel zur Heilung oder Vorbeugung von Krankheiten angepriesen werde. „Dies könnte auf das Produkt ‚HomöopaTea‘ zutreffen und würde gegen die arzneimittelrechtlichen Vorschriften verstoßen.“ Voraussetzung für die Einstufung als Arzneimittel sei allerdings, dass es das Produkt überhaupt gibt. Tatsächlich sei HomöopaTea weder über die Homepage zu erwerben, noch im Einzelhandel zu kaufen.
Damit hat der Amtsapotheker recht, im Onlineshop heißt es: „Leider ist der HomöopaTea aktuell nicht verfügbar.“ Fehske konfrontierte die Redaktion von „MaiThink X“ dennoch mit der Einschätzung der Behörde. Anders als in der Sendung dargestellt, würde der „HomöopaTea“ gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften verstoßen, wenn er in Verkehr gebracht würde. Er sei zwar selbst ein großer Freund von Satire, Verstöße gegen Arzneimittelgesetz und Apothekenpflicht gingen ihm aber zu weit. Und zwar unabhängig von der Frage, wie man zur Homöopathie steht. „Ich würde Sie daher bitten zu überprüfen, ob Sie im Lichte dieser neuen Informationen die Sendung ohne beispielsweise eine ergänzende Kommentierung tatsächlich bis zum 18.09.2027 unverändert in Ihrer Mediathek belassen möchten“, schrieb er an die Redaktion.
Verbindliche Einschätzung fehlt
Die Wissenschaftsjournalist:innen bedankten sich für die Befassung mit der Sendung und das Bemühen, „offizielle Stellen zu einer verbindlichen rechtlichen Einschätzung von HomöopaTea zu bewegen“. Nur habe auch Fehske offensichtlich keinen Erfolg damit gehabt. Die Stadt Köln sei ja gerade nicht zu dem Schluss gekommen, dass ein Inverkehrbringen des Produkts gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften verstoßen würde. „Sie hat nur begründet, warum sie den Sachverhalt nicht eingehend prüft. Würde sie das tun, würde sie sich sicher unserer Einschätzung anschließen, dass es sich bei HomöopaTea aus verschiedenen Gründen nicht um ein Präsentationsarzneimittel handelt“, ist das Team von Nguyen-Kim überzeugt.
Die Frage nach einer möglichen Einstufung als Präsentationsarzneimittel geht aus Sicht der Wissenschaftsjournalist:innen zudem am eigentlichen Problem vorbei: „Nach den einschlägigen homöopathischen Repertorien sind von homöopathisch potenziertem Safran bereits bei geringster Dosierung Wirkungen zu erwarten, die von unpotenziertem Lebensmittelsafran in üblichen Einnahmemengen schlicht nicht bekannt sind. Hierbei gehört eine Beeinträchtigung der Sehfähigkeit noch zu den harmlosesten Symptomen. Von den regulatorischen Behörden ist dringend zu erwarten, dass sie die Bevölkerung vor derart riskanten Zusatzstoffen in unseren Lebensmitteln schützen. Noch dazu, wenn sie so hoch konzentriert sind wie in HomöopaTea.“ Dafür sei völlig unerheblich, wie dieser Zusatzstoff deklariert wird. „Wenn er diese Wirkungen hat, hat er diese Wirkungen.“
Genau wie Apotheker Fehske sei man daran interessiert, „in einem Wust aus inkonsequenten und teilweise widersprüchlichen Regelungen und Einstufungen zu homöopathischen Präparaten mehr rechtliche Klarheit zu erreichen“, schreibt die Redaktion.
Streit um die Kennzeichnung
Fehske findet, dass es sich die Redaktion damit etwas zu leicht macht. Die Behörde müsse im Konjunktiv bleiben, weil der „HomöopaTea“ – anders als in der Sendung angekündigt – eben nicht in Verkehr gebracht wurde. „Ich halte das zwar für einen sehr wohlmeinenden Umgang des Amtes mit Ihrem öffentlich angekündigten Rechtsbruch – aber wenn Sie kein Problem damit haben, etwas anzukündigen, was Sie dann in Wirklichkeit doch nicht umzusetzen bereit sind, muss man die Möglichkeit möglicher Verstöße gegen AMG und Apothekenpflicht vielleicht nicht unnötig größer machen.“
Der entscheidende Punkt ist aus Sicht des Apothekers die Bezeichnung. In der Pharmazie gebe es etliche Abgrenzungen, die rein chemisch betrachtet nicht „logisch“ seien – aber juristisch eben doch: Tabletten mit 400 mg Ibuprofen können entweder freiverkäuflich oder verschreibungspflichtig sein, je nach Beipackzettel und Zulassung. Lovastatin sei rezeptpflichtig, in Nahrungsergänzungsmittel mit rotem Reis aber zufällig auch enthalten – „sämtliche Risiken für unerwünschte Wirkungen inklusive“.
Manchmal komme es auch nur auf die Bezeichnung an: Wenn ein Produkt mit „Crocus D12“ gekennzeichnet sei, dann gebe es für Arzneimittel unter anderem ein Verbraucherschutz-Konzept, nach dem man sich beim Auftreten von – auch nur vermuteten – Nebenwirkungen an eine rund um die Uhr erreichbare Stelle wenden können muss (Pharmakovigilanz). Und die Apothekenpflicht gehe mit einer Beratungspflicht einher – auch zu nicht bestimmungsgemäßem Fehlgebrauch, „wenn jemand seine Sehstörungen lieber mit Crocus D12 behandeln würde, statt zum Arzt zu gehen“, erklärt Fehske.
Seit dem Schriftwechsel hat Fehske nichts mehr gehört. Richtig zufriedenstellend ist das für ihn nicht: „Ich finde es von beiden Seiten sehr schwach, dass man sich in diesem Graubereich aufhält. Die Behörde müsste sagen, dass sie dagegen vorgeht und die Sendung müsste sagen: Ja okay, es war ein Scherz, echt in Verkehr bringen dürfte man es nicht.“