„Verordnungen von homöopathischen Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung von 1985 bis 2021: wissenschaftliche, rechtliche und pharmakoökonomische Analyse“
heißt ein Artikel von: Leemhuis, H., Seifert, R.: Der Arch Pharmacol (2024 von Naunyn-Schmiedeberg) https://doi.org/10.1007/s00210-024-03005-x[i],
der in englischer Sprache erschienen ist, obwohl er ausschließlich den deutschen Markt betrifft und nur darauf bezogen ist.
Stellungnahme aus Sicht der Fachgesellschaft homöopathischer Komplexmittel.
Eigentlich ist die hier kritisierte Arbeit so fehlerhaft und ungeeignet Aussagen zu generieren, dass es unverständlich ist, warum sie in einer wissenschaftlichen Zeitschrift publiziert werden konnte. Tatsächlich ist die Publikation voller Fehler und nicht gesicherter Behauptungen, weshalb die folgende Analyse nur einige der auffallendsten Ungereimtheiten herausgreifen kann.
1) Einleitung
Zunächst einmal muss eine wissenschaftliche Arbeit ergebnisoffen geplant und durchgeführt werden. Dabei darf sie nicht auf Postulaten basieren, die weder hinterfragt noch begründet werden. In der Einleitung und als Begründung der Analyse werden Hersteller homöopathischer Arzneimittel als Gegner der evidenzbasierten Medizin dargestellt.
„The reimbursement of homeopathic remedies should be critically analyzed not only for economic reasons, but also due to the external impact of the financing of homeopathic manufacturers, who position themselves contrary to evidence-based medicine.“
Grundsätzlich ist Homöopathie eine Komplementärmedizin, eine Ergänzung und kein Gegner oder Alternative der Schulmedizin, die hier als evidenzbasiert kontrastiert wird. Damit sind die Grundannahmen der Analyse falsch, auch Homöopathie ist evidenzbasiert (u.a. BAH-Faktenpapier Homöopathische Arzneimittel[ii]). Hersteller homöopathischer Arzneimittel sind damit keine Gegner der evidenzbasierten Medizin. Diese Aussage gehört nicht in eine vorgeblich wissenschaftliche Analyse und ist als Framing zu werten. Es fehlt auch die Angabe, dass die Ausgaben der GKV für homöopathische Arzneimittel z.B. im Jahr 2022 nur 0,01% der GKV Arzneimittelausgaben ausmachen (BPI Pharma-Daten 2022, S.78[iii]). Damit kann die „Finanzierung“ der homöopathischen Hersteller oder der homöopathischen Arzneimittel kein echtes Problem der GKV sein.
Der dritte Absatz der Einleitung behauptet, dass große Metaanalysen keine verlässlichen Beweise für die Wirkung der Homöopathie über den Placeboeffekt hinaus belegen würden. Auch diese Aussage ist unrichtig und wird nicht durch die zahlreichen zitierten Publikationen gestützt. Ein empfehlenswertes Video[iv] analysiert den Ursprung dieser Behauptung. Es ist müßig hier alle Originalzitate aufzuzählen aber schon die erste Quelle (Antonelli und Donelli, 2019)[v] hat 61 systematische Übersichten und Metaanalysen in die qualitative Synthese einbezogen, davon zeigten nur 25 eine mit Placebo vergleichbare Wirksamkeit (41%). Die zweite Quelle (Cucherat et al.,2000)[vi] schreibt als Schlussfolgerung:
„Es gibt Hinweise darauf, dass homöopathische Behandlungen wirksamer sind als Placebo; Aufgrund der geringen methodischen Qualität der Studien ist die Aussagekraft dieser Evidenz jedoch gering. Studien mit hoher methodischer Qualität waren eher negativ als Studien mit geringerer Qualität. Weitere qualitativ hochwertige Studien sind erforderlich, um diese Ergebnisse zu bestätigen.“
Die dritte Quelle (Kleijen et al, 1991)[vii] schreibt:
Die Evidenz klinischer Studien ist derzeit positiv, reicht jedoch nicht aus, um endgültige Schlussfolgerungen zu ziehen, da die meisten Studien von geringer methodischer Qualität sind und die Rolle der Publikationsverzerrung unbekannt ist. Dies weist darauf hin, dass es berechtigte Gründe für eine weitere Evaluierung der Homöopathie gibt, jedoch nur anhand gut durchgeführter Studien.
Nicht zitiert wird Pof. Robert Hahn, der die Methodik und Schlussfolgerungen der Metaanalysen in einem Review (Forsch Komplementmed. 2013;20(5):376-81)[viii] kritisiert:
Im ersten Jahrzehnt des evidenzbasierten Zeitalters, das Mitte der 1990er Jahre begann, wurden Metaanalysen eingesetzt, um die Homöopathie auf Hinweise auf positive Wirkungen bei Erkrankungen zu untersuchen. In dieser Übersicht wurden Metaanalysen analysiert, die gepoolte Daten aus placebokontrollierten klinischen Studien zur Homöopathie und die Folgen in Form von Debattenartikeln umfassten. Im Jahr 1997 identifizierten Klaus Linde und Mitarbeiter 89 klinische Studien, die eine Gesamtwahrscheinlichkeit von 2,45 zugunsten der Homöopathie gegenüber Placebo zeigten. Es gab einen Trend zu einem geringeren Nutzen von Studien höchster Qualität, aber die 10 Studien mit dem höchsten Jadad-Score zeigten immer noch, dass Homöopathie einen statistisch signifikanten Effekt hatte. Diese Ergebnisse stellten die Wissenschaftler vor die Herausforderung, alternative Analysen durchzuführen, die sich zum Nachweis der fehlenden Wirkung auf einen umfassenden Ausschluss von Studien stützten, oft in dem Maße, dass die Schlussfolgerungen nur auf 5–10 % des Materials oder auf virtuellen Daten basierten. Das ultimative Argument gegen die Homöopathie ist der „Trichterplot“, der 2005 von Aijing Shangs Forschungsgruppe veröffentlicht wurde. Der Trichterplot ist jedoch fehlerhaft, wenn er auf eine Mischung von Krankheiten angewendet wird, da Studien mit erwarteten starken Behandlungseffekten aus ethischen Gründen eine geringere Aussagekraft haben als Studien mit erwarteten schwachen oder unklaren Behandlungseffekten. Um zu dem Schluss zu kommen, dass Homöopathie keine klinische Wirkung hat, mussten mehr als 90 % der verfügbaren klinischen Studien außer Acht gelassen werden. Alternativ mussten fehlerhafte statistische Methoden angewendet werden. Zukünftige Metaanalysen sollten sich auf den Einsatz der Homöopathie bei bestimmten Krankheiten oder Krankheitsgruppen konzentrieren, anstatt Daten aus allen klinischen Studien zu bündeln.
Die Einleitung des Artikels disqualifiziert die „Analyse“ als politisch und nicht faktenorientiert. Der wissenschaftliche Anschein ist problematisch, weil dieser Anschein den Stellenwert der Wissenschaft missbraucht, das Vertrauen der Leser an die Ergebnisse von echter Wissenschaft unterminiert und alternativen Fakten den Weg frei räumt. Ein so manipulativer Missbrauch der Wissenschaft ist förderlich für jeden weiteren Verschwörungsmythos.
2) Methode
Eine Analyse der GKV Ausgaben über die Spanne von 1985 bis 2021 ist zumindest sehr gewagt, weil der Markt nicht statisch ist und in diesem Zeitrahmen die gesetzlichen Regeln mehrfach geändert wurden. Die meisten der homöopathischen Präparate waren 1985 noch in der Nachzulassung und oft in anderer Zusammensetzung und Dosierung im Markt als 2021. HR9, als Beispiel welches dem Autor gut bekannt ist, war schon vor 1961 (1. AMG) im Handel und 1985 noch in der Nachzulassung. Mit der Zulassung ist es seit September 2007 nicht mehr in der aufgeführten Zusammensetzung im Handel. Das Nachfolgeprodukt ist um einen Wirkstoff und die Dosierungsempfehlung von 3 x 20 Tropfen auf 3 x 5 Tropfen reduziert worden. Die zugelassene Indikation lautet seither „Besserung der Beschwerden bei Nasennebenhöhlenentzündungen“ und der ATC-Code ist R01BH20.
Die DDD werden anhand der ATC-Codierung vergeben. Die ATC-Klassifikation ist für pharmakologische Wirkstoffe entwickelt worden und unterteilt diese nach den Organen oder Organsystemen auf das sie einwirken, ihren chemischen und pharmakologischen sowie den therapeutischen Eigenschaften.
- Die DDD[ix] ist die angenommene mittlere tägliche Erhaltungsdosis für die Hauptindikation eines Arzneimittels bei Erwachsenen.
- Die DDD ist eine rechnerische Maßeinheit und gibt nicht unbedingt die empfohlene oder verordnete Tagesdosis (prescribed daily dose, PDD) eines Arzneimittels wieder.
- Therapeutische Dosen für individuelle Patienten und Patientengruppen unterscheiden sich oft von der DDD, da sie auf individuellen Eigenschaften (z. B. Alter, Gewicht, ethnische Unterschiede, Art und Schwere der Erkrankung) bzw. pharmakokinetischen Besonderheiten beruhen.
- Jedem ATC-Code und jeder Applikationsart (z. B. orale Darreichungsformen) wird nur eine DDD zugewiesen.
- Die DDD ist fast immer ein Kompromiss, der auf einer Überprüfung der verfügbaren Informationen, einschließlich der in verschiedenen Ländern verwendeten Dosen beruht.
- Die DDD ist manchmal eine „Dosis“, die selten – wenn überhaupt – verordnet wird, weil sie beispielsweise den Durchschnittswert zweier häufig verwendeter Dosengrößen darstellt.
Die DDD sind für homöopathische Arzneimittel eine praxisferne Bewertung der Tagestherapiekosten, weil die Dosierung individuell entsprechend der Empfindlichkeit der Patienten erfolgt. Üblicherweise existiert bei homöopathischen Mitteln keine DDD. Die aktuelle offizielle Empfehlung zur Dosierung von homöopathischen Tropfen ist 1-3 x 5 Tropfen. Diese Dosierung war 1985 noch nicht gesetzlich vorgeschrieben und damals in der Regel weitaus höher. Die aktuelle Dosierungsempfehlung richtet sich an die Selbstmedikation und soll die geringste mögliche Dosierung wiedergeben.
Lt. ATC-Beschluss 2024 9 wird bei Kombinationspräparaten oder Zubereitungen, bei denen eine DDD aus verschiedenen Gründen nicht als Wirkstoffmenge angegeben werden kann, die Einheit DE (Dosiseinheit, engl. UD, unit dose) verwendet (3.2.6). Bei flüssigen Zubereitungen zur oralen Anwendung (Mixturen, Sirupe etc.) entspricht 1 DE genau 5 ml der Zubereitung.
Alternativ können auch die Herstellerangaben zur Ermittlung der DDD verwendet werden oder die Dosierungsempfehlung entsprechend der Zulassung. Aktuell entspricht die zugelassene Dosierung in den meisten Fällen der allgemeinen Empfehlung zur Dosierung homöopathischer Arzneimittel. 1993 erschien die erste Dosierungsempfehlung und 2003 eine andere, die zum jeweiligen Zeitpunkt der Nachzulassung für die homöopathischen Produkte vorgeschrieben wurden. Damit gibt es für homöopathische Tropfen zwei verschiedene zugelassene Dosierungsempfehlungen, die ausschließlich auf dem Zeitpunkt der Nachzulassung des jeweiligen Präparates beruhen und damit eher zufällig sind. Für HR9 bedeutet das: vor September 2007 war die Dosierungsempfehlung 3 x 20 Tropfen und später nur noch 1-3 x 5 Tropfen. Der aktuelle Verkaufspreis von 11,15 € /30 ml (Rote Liste) bedeutet Tagestherapiekosten die auf im Mittel 10 Tropfen (2 x 5 Trpf.) berechnet werden können. Bei 1 ml = 28 Tropfen ergibt sich für die N1 = 30 ml (30 x 28 =) 840 Tropfen/Flasche. Damit sind die Tagestherapiekosten (11,15/84=) 0,13 €/d. Bei verschiedenen Online-Apotheken wird HR9 noch günstiger mit z.B. 9,23 € für die N1 angeboten.
In einer wissenschaftlichen Arbeit erwartet man exakte Angaben die hier fehlen. Welche DDD oder DE wurde verglichen? 40 Tropfen, 10 Tropfen oder 5 ml?
Als Sinusitis Mittel ist HR9 in der Roten Liste unter 72.1.D.2 aufgeführt, also ein Rhinologikum (72), intern (1), homöopathische Kombination (D.2). Der ATC-Code ist R01BH20 (R = Respirationstrakt, 01 Rhinologika, B =Nasale Dekongestiva zur systemischen Anwendung, R01BH – Homöopathische und anthroposophische Rhinologika zur systemischen Anwendung, R01BH20 – Kombinationen). Dieser ATC-Code sollte mit chemisch definierten Mitteln der ATC-Klassifizierung R01B… verglichen werden. Die Liste ist lang, aber keiner der zum Vergleich herangezogenen Wirkstoffe wird dort aufgeführt:
R01BA01 – Phenylpropanolamin, R01BA02 – Pseudoephedrin, R01BA03 – Phenylephrin, R01BA51 – Phenylpropanolamin, Kombinationen, R01BA52 – Pseudoephedrin, Kombinationen, R01BA53 – Phenylephrin, Kombinationen, R01BA54 – Buphenin, Kombinationen, R01BA56 – Etilefrin, Kombinationen, R01BA57 – Pseudoephedrin und Ibuprofen, R01BA58 – Pseudoephedrin und Desloratadin, R01BA59 – Pseudoephedrin und Triprolidin, R01BA60 – Pseudoephedrin und Cetirizin
Als Vergleich werden anscheinend die billigsten chemisch definierten Einzelstoffe aus anderen Hauptgruppen herangezogen und mit den aufgeführten Homöopathika, ungeachtet der Indikation, als Alternative bezeichnet. Bei HR9 sind die aufgeführten „Alternativen“ zu einer Behandlung der Sinusitis entweder ein topisches Sympathomimetikum oder Schmerzmittel. Die einzige chemisch definierte Substanz der gleichen Hauptgruppe lt. Rote Liste wäre Cineol (R05CA13), das primär ein Husten- und Erkältungspräparat ist.
Verglichen wird HR9 mit:
– Xylometazolin, ein externes Rhinologikum, welches die Gefäße verengt und damit die Schwellung der Schleimhaut reduziert (ATC = R01AA07). Die Anwendung ist auf 7 Tage begrenzt, denn es gibt einen Reboundeffekt, da sich der Körper an die Applikation gewöhnt und Regelmechanismen (Adaptation) dagegen arbeiten. Welche DDD (Erhaltungsdosis) wurde für ein Arzneimittel zur Kurzzeitanwendung zugrunde gelegt?
– Ibuprofen ist ein Schmerzmittel. In der Roten Liste wird es unter 05.1.B.3.1.4. geführt (ATC = M01AE01): 05= Schmerzmittel/Antirheumatikum; 1.B.3.1.4. Propionsäurederivate; 1. Ibuprofen.) Die Anwendungsgebiete sind: Symptomatische Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen wie Kopfschmerzen, Zahnschmerzen und Regelschmerzen sowie Fieber. Der ATC-Code M01AE01 bedeutet: M = Muskel- und Skelettsystem, M01 = M01 – Antiphlogistika und Antirheumatika, M01A = Nichtsteroidale Antiphlogistika und Antirheumatika, M01AE = Propionsäure-Derivate, M01AE01 = Ibuprofen. Ibuprofen hilft gegen nur eines der Symptome einer Sinusitis und ändert nicht den Krankheitsverlauf. Damit ist es etwas völlig anderes und keine echte pharmakologische Alternative.
– Paracetamol wird in der roten Liste unter 05.1.2.1.2. geführt, der ATC-Code ist N02BE01 (N = Nervensystem, N02 = Analgetika, N02B = Andere Analgetika und Antipyretika, N02BE = Anilide, N02BE01 = Paracetamol. Also ein Mittel, das Schmerzen und Fieber unterdrückt, wobei der genaue Wirkmechanismus von Paracetamol bis heute nicht abschließend geklärt ist (DocCheck).
– Metamizol 05.1.B.2.1.3.1 (05 = Analgetika/Antirheumatika; 1.B.2. = nicht opioide Analgetika/Antipyretika; 1. = Einzelstoffe; 3. = Pyrazolone; 1. Metamizol). Indikation: Akute starke Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen; Koliken; Tumorschmerzen; sonstige akute oder chronische starke Schmerzen, soweit andere therapeutische Maßnahmen kontraindiziert sind; hohes Fieber, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht.
Tatsächlich ist die Methode zur Bestimmung einer pharmakologischen Alternative nicht näher ausgeführt und deshalb nicht wissenschaftlich überprüfbar. Die Leitlinie Rhinosinusitis sieht zur symptomatischen Therapie bei akuter Rhinosinusitis Dekongestiva und Schmerzmittel vor, bei chronischer Sinusitis Kortikosteroide und Antibiotika, die in der Analyse nicht als Alternative verglichen werden.
Die echten Tagestherapiekosten von HR9 betragen aktuell 0,13 €/d und sind damit zehnfach günstiger als die pharmakologischen Alternativen, die mit 1,30 €/d angegeben werden.
3) Tabelle 4
Prof. Seifert wurde mehrfach um die zugrunde liegenden Daten gebeten die lt. diesem Artikel auf angemessene Anfrage zur Verfügung gestellt werden würden. Herr Seifert weigerte sich der Fachgesellschaft Komplexmittelhomöopathie die Daten in nicht kodifizierter Form zur Verfügung zu stellen und schickte lediglich die kodierten Angaben aus denen Tabelle 4 generiert wurde, die angeblich die Korrektheit der Angaben nach Heilmittelwerbegesetz (HWG)[x] analysiert und die jeweiligen Punkte mit JA oder NEIN für die einzelnen Produkte bereits eingetragen hat.
Allein bei HR9 finden sich schon in den Einträgen der Liste klare Fehler. So wird für HR9 in dieser Tabelle angegeben, dass Angaben zu UAW bzw. Nebenwirkungen fehlen würden. Das ist falsch, der gesamte Pflichttext der Gebrauchsinformation ist auf der Homepage wiedergegeben und damit schon in dieser kodierten Ausgangstabelle nicht richtig eingetragen.
Die Angabe, ob es sich um ein verschreibungspflichtiges Produkt handelt, fehlt natürlich, was auch richtig ist, denn das HWG verlangt die Angabe der Verschreibungspflicht nur bei Arzneimitteln, die der Verschreibungspflicht nach §48 des AMG[xi] unterliegen (HWG § 4 (1) Nr. 7a). Aber allein das „NEIN“ suggeriert Fehler aus Sicht des HWG.
Rabattaktionen werden auf der Homepage nicht beworben, weil diese homöopathischen Arzneimittel apothekenpflichtig sind und nur über Apotheken an den Patienten abgegeben werden können. Sollte dieser Punkt den §7 HWG (Verbot von Zuwendungen und Werbegaben) reflektieren ist das „NEIN“ gesetzeskonform.
Auch die Kennzeichnung als homöopathisches Arzneimittel ist in der Tabelle mit „NEIN“ wiedergegeben, obwohl die Wirkstoffe mit der homöopathischen Verdünnung und die Anwendungsgebiete mit dem Hinweis – „Angabe der Anwendungsgebiete leiten sich von den homöopathischen Arzneimittelbildern ab.“ – auf der Homepage aufgeführt sind. Darüber hinaus ist eine solche Kennzeichnung im HWG nicht vorgesehen und auch dieses „NEIN“ ist in diesem Zusammenhang bewusst missverständlich.
Ein Preis ist natürlich nicht angegeben, weil die Apotheken unterschiedliche Abgabepreise angeben und wird auch nicht im HWG vorgeschrieben.
Offensichtlich ist die vorliegende kodierte Tabelle bereits fehlerhaft und die zugrundeliegenden Daten nicht anhand der zugesandten kodierten Tabelle überprüfbar. Darüber hinaus will die Tabelle die „Einhaltung des Heilmittelwerbegesetzes“ wiedergeben, fragt aber auch Parameter ab, die nicht Teil des HWG sind und jedes NEIN suggeriert einen Verstoß gegen das HWG. Das ist nicht nur falsch und unwissenschaftlich sondern populistische Propaganda.
Fazit
Das sind nur die offensichtlichen Fehler der Analyse. Es fehlen wesentliche Angaben zur Möglichkeit der wissenschaftlichen Überprüfung was eine zwingende Voraussetzung für wissenschaftliche Qualität ist. Die Auswahl der homöopathischen Produkte ist genau so willkürlich wie die Auswahl der angeblichen Alternativen und der Zeitrahmen nicht sinnvoll. Das Ergebnis von höheren Kosten ist nicht nachvollziehbar und am Beispiel HR9 völlig falsch. Die Analyse schadet dem Ansehen der Wissenschaft, sorgt für Misstrauen, spaltet die Gesellschaft und fördert Verschwörungsmythen. Sie ist keineswegs zur Publikation in einem wissenschaftlichen Medium geeignet und hätte vom Chefredakteur (Prof. Seifert ist Editor in Chief) abgelehnt werden müssen.
Die Wirkweise der Homöopathie unterscheidet sich von pharmakologischen Wirkstoffen und wurde durch empirische Forschung entdeckt. Sie passte sehr gut in die heutige wissenschaftliche Welt die erkannt hat, dass Lebewesen lernfähig sind und sich adaptieren können. Die Reize der Homöopathie lösen anscheinend Reaktionen aus, die über adaptive Stoffwechseländerungen erklärbar sind. Das erklärt auch die positiven Ergebnisse der klinischen Studien.
Eine Analogie um den grundsätzlichen Unterschied von homöopathischen Reizen und pharmakologischen Wirkungen zu verdeutlichen wäre z.B. für die Homöopathie ein Laut, wie ein lauter Schrei, der Angst erzeugen kann und so Adrenalin freizusetzen in der Lage ist. Eine pharmakologische Alternative könnte dann eine Adrenalinspritze sein. Schon hier ist klar, dass mit einem Schrei keinerlei „Wirkstoff“ in den Probanden gelangt. Es ist auch selbstverständlich, dass die Reaktion auf einen Schrei sehr unterschiedlich ausfallen kann und die Reaktion nicht allein durch den Schrei, sondern auch durch den Zuhörer und dessen Erfahrung und der Situation, in der er sich befindet, bestimmt wird. Die Adrenalinspritze erhöht allein den Adrenalinspiegel und nur das kann pharmakologisch verglichen werden.
Die hier vorgestellte materialistische Betrachtung im Sinne einer dosisabhängigen zwingenden, d.h. pharmakologischen Reaktion ist zur wissenschaftlichen Untersuchung homöopathischer Wirkstoffe ungeeignet. Wir sollten nicht vergessen, dass die homöopathischen Präparate eine sehr lange Anwendungserfahrung mit sich bringen und das Arzneimittelgesetz von 1976 aufgrund der schädlichen Wirkung eines damals neuen, chemisch definierten pharmakologischen Wirkstoffes (Thalidomid = Contergan) zur Sicherheit der Patienten verabschiedet wurde. Die Zulassung auch niedrig potenzierter Arzneimittel wird deshalb durch das BfArM besonders auf Verträglichkeit und potentielle Nebenwirkungen geprüft, so dass das Risiko von Schäden durch homöopathische Arzneimittel mit Zulassung und Registrierung sehr gering ist.
Als wissenschaftliche Entscheidungshilfe sei auf nachfolgende Kosteneffizienzstudien verwiesen, die für die Homöopathie geringere Kosten bei vergleichbarer konventioneller Therapie belegen:
Bornhöft, G. & Matthiessen, P.F. (Hrsg.) (2006): Homöopathie in der Krankenversorgung – Wirksamkeit, Nutzen, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. Frankfurt am Main: VAS, 2006.
Baars, E. W., & Kooreman, P. (2014). A 6-year comparative economic evaluation of healthcare costs and mortality rates of Dutch patients from conventional and CAM GPs. BMJ Open, 4, e005332.
Viksveen P, Dymitr Z, Simoens S. Economic evaluations of homeopathy: a review. Eur J Health Econ. 2014 Mar;15(2):157-74.
Colas A, Danno K, Tabar C, Ehreth J, Duru G (2015): Economic impact of homeopathic practice in general medicine in France. Health Econ Rev. 2015; 5: 18.
Kass B, Icke K, Witt CM, Reinhold T. Effectiveness and cost-effectiveness of treatment with additional enrollment to a homeopathic integrated care contract in Germany. BMC Health Serv Res. 2020 Sep 15;20(1):872.
Daten von 15.700 Versicherten der deutschen Securvita. Verfügbar unter: https://www.securvita.de/fileadmin/inhalt/dokumente/auszuege_SECURVITAL/202004/securvital_0420_6-11.pdf
Diplombiologe Dr. Martin Diefenbach im März 2024
[i] https://doi.org/10.1007/s00210-024-03005-x
[ii] https://www.bah-bonn.de/index.php?id=2&type=565&file=redakteur_filesystem/public/BAH_Faktenpapier_Homooeopathie_2020_final.pdf
[iii] https://tinyurl.com/2unnhrhf
[iv] https://www.youtube.com/watch?v=EElx8Y6k930
[v] https://doi.org/10.1111/hsc.12681
[vi] https://doi.org/10.1007/s002280050716
[vii] https://doi.org/10.1136/bmj.302.6772.316
[viii] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24200828/
[ix] https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Kodiersysteme/ATC/arbeitsgruppe/2024/ag-atc-beschluss-20231124.pdf?__blob=publicationFile
[x] https://www.gesetze-im-internet.de/heilmwerbg/BJNR006049965.html
[xi] https://www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/__48.html
©Fakom 2024 – Fachgesellschaft für Komplex-Homöopathie